Es sind die (feinen) Unterschiede

Eigentlich kannte ich es bereits aus Lettland. Ich hatte mich also darauf eingestellt es ebenso in Australien anzutreffen. An manchen Tagen Stoff um beim Abendessen herzlich zu lachen, an manchen Tagen jedoch das komplette Projekt Australien zu hinterfragen. Die Mentalitätsunterschiede. Dass es mich dann doch wieder so aus der Contenance werfen kann, hatte ich nicht erwartet.

Es ist in Australien völlig in Ordnung barfuß unterwegs zu sein. Beim Einkaufen, beim Tanken, beim Kinder in die Schule bringen, beim Spazieren gehen. Nur fürs Restaurant muss man sich dann Schuhe anziehen. Erstaunlich, wie ich finde. Denn abgesehen davon, dass der Boden tagsüber oft brüllheiß ist, gibt es auch hier Hundehaufen…und zum Horror aller Europäer Schlangen und Spinnen und vieles mehr was beißt, sticht und fies sein kann. Doch es ist nicht allein die Barfüßigkeit, die für uns immer ein bisschen  befremdlich ist…sondern ein, für mich, übertriebenes Sicherheitsbedürfnis. Ich habe bisher immer noch nicht ganz rausgefunden wo australische Kinder Fahrradfahren lernen. Vielleicht nur in den Sommerferien auf dem Campingplatz? Denn ich werde immer noch etwas schräg angesehen, wenn ich mit meinen Kindern zur und von der Schule komme. Gestern haben wir eine ganze Baustelle lahm gelegt, weil es ein solches Tamtam gab, als ich mit den Kindern im Schlepptau auf dem Bürgersteig daran vorbeifuhr. Ein ganzer LKW wurde hierfür ausgebremst, Sicherheitsschilder umgeräumt und dann wurden wir von zwei (!) Baustellenlotsen ( langsam und vorsichtig) an der Baustelle vorbeigeleitet…hätte ja sein können, dass eines meiner Kinder plötzlich beschließt abzubiegen und off road und stuntmäßig über den unbefestigten Baustellenabschnitt zu flitzen.

Ein ganz klarer Grund um sich richtig aufzuregen sind für Valentin die Rutschen im Schwimmbad. Schlimm genug, dass er kleiner ist als die Meisten in seinem Alter. Aber Wasserrutschen hier werden nach der Körpergröße der Kinder frei gegeben, unabhängig ob sie tatsächlich Schwimmen können oder „ alt genug“ sind. Um ja aus dem juristischen Schneider zu sein, gibt der Hersteller der Rutschen eine Mindestgröße vor. Dies wird dann akribisch von den Bademeistern kontrolliert und darauf hingewiesen. Und weil ja trotzdem ein Kind im 20 cm tiefen Wasser ertrinken kann, werden hier gleich fünfmal so viele Schwimmaufsichten angestellt, die dann oben auf der Rutschplattform die Köpergröße kontrollieren (beim Rutschenausgangsbecken steht natürlich niemand).

Ganz eigen finde ich jedoch die scheinheilige Prüderie der Australier. Wer in Perth an einem Freitagabend durch das Ausgehviertel schlendert, wird sich angenehm an den Hamburger Kiez erinnert fühlen. Herrlich. Jedoch manchmal etwas anders als von den Mädels beabsichtigt. Denn Prostituierte sieht man hier nicht offen … wer allerdings so mache Nachtschwärmerin sieht kann sich schon sehr wundern, dass es möglich ist so wenig Klamotte anzuhaben. Doch wenn ich morgens nach dem Schnorcheln im Meer in die Damenstranddusche gehe, wird dort selbst unter Frauen nur im Badeanzug geduscht und nur unter dem Handtuch umgezogen. Da ich mit einem gesunden Köpergefühl ausgestattet solche Umständlichkeit nicht mitmache , ernte ich auch hierfür den ein oder anderen schrägen Blick.

Es gibt auch die schönen Unterschiede. Es ist im Grundgesetz verankert, dass jeder ein Recht auf Zugang zu Trinkwasser hat. Und so gibt es an den meisten Stränden und öffentlichen Plätzen Trinkwasserbrunnen und im Restaurant, egal wie einfach, wird ohne zu Fragen eine Flasche Trinkwasser und Wassergläser auf den Tisch gestellt.

Auch gibt es öffentliche Grillplätze mit kostenlosem Gasgrill, (eigentlich immer saubere!) Sanitäranlagen, Wasseranschluss und Sitzgelegenheiten. Und das an den abgelegensten Orten, welche es in Westaustralien viele gibt. Wir genießen es sehr abends einfach mit ein paar Grillwürstchen an den Strand zu fahren und den Sonnenuntergang zu sehen, ohne dafür den ganzen Hausstand einzupacken.

Auch ist der Umgangston im Allgemeinen deutlich respektvoller und freundlicher. Ich war etwas erschrocken, als ich kürzlich bei der Ärztekammer in Hamburg anrief und einmal durch die Leitung angeblafft wurde.

Es sind diese Unterschiede, die es manchmal sehr leicht machen anzukommen, doch auch manchmal zum Haare raufen sind.


Entdecke mehr von Von Hamburg nach Perth

Melde dich für ein Abonnement an, um die neuesten Beiträge per E-Mail zu erhalten.

Entdecke mehr von Von Hamburg nach Perth

Jetzt abonnieren, um weiterzulesen und auf das gesamte Archiv zuzugreifen.

Weiterlesen